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Laufräder zentrieren

1. Warum zentrieren

Die Speichen geben dem Laufrad seine Stabilität, aber nur, wenn sie die richtige Spannung haben. Damit das Rad rund läuft (nicht "eiert"), muss die Spannung der Speichen gleichmäßig sein. Wenn beim sich drehenden Rad die Felge seitliche Ausschläge macht, nennt man das einen Seitenschlag. Vom Höhenschlag spricht man, wenn die Felge von der Seite betrachtet keinen exakten Kreis beschreibt, sondern Ausschläge nach außen oder innen (d.h. von der Nabe weg oder zu ihr hin) macht.

Zentrieren ist nötig, um unruhigen Lauf, unruhiges Kurvenverhalten, erhöhten Rollwiderstand, erhöhten Verschleiß an Reifen und Lagern und mangelhafte Funktion der Felgenbremsen zu verhindern.

 

2. Wann zentrieren

Man muss immer dann zentrieren, wenn das Rad nicht mehr gleichmäßig rund läuft (einen "Achter" hat), ebenso bei einem neu eingespeichten Laufrad und einige hundert Kilometer nach dem Neu-Einspeichen (wichtig vor allem beim neu gekauften Fahrrad). Wenn die Felge zu sehr verbogen ist (bei einem Höhen- oder Seitenschlag von mehr als ca. 1 cm in einem kurzen Felgenbereich), ist Zentrieren kaum mehr möglich, man kauft dann besser eine neue Felge. Man kann allerdings als Notbehelf auch versuchen, bei gelockerten Speichen die Felge mit der Hand/dem Fuß und einer geeigneten Unterlage einigermaßen gerade zu biegen.

 

3. Was man zum Zentrieren braucht

Neben dem richtigen Werkzeug ist (viel) Geduld das Wichtigste. Das Werkzeug heißt Speichenschlüssel, Nippelspanner oder Nippeldreher und kostet je nach Ausführung zwischen 3 und 10 Euro (Achtung: zwei versch. Größen gebräuchlich; immer erst mit dem kleineren versuchen, der größere "passt" auch über die kleineren Nippel, ruiniert sie aber beim Festziehen). Wichtig : Niemals mit einer Zange die Nippel verdrehen. Man ruiniert auch so die Nippel sehr schnell, da sie aus weichem Material (meist Messing) bestehen. Ruinierte Nippel lassen sich vielleicht noch mit einem Schraubenzieher von der Reifenseite der Felge drehen, sonst zertrennt man die Speiche mit einem kräftigen Saitenschneider und ersetzt Speiche und Nippel (Vorsicht: Augen schützen! Stark gespannte Speichenenden werden beim Zertrennen zum Geschoss! Das gilt genauso, wenn Speichen beim zu starken Anspannen plötzlich reißen!).

Nur für Liebhaber ist ein Zentrierständer zu empfehlen (ab 50 Euro), in den man das ausgebaute Laufrad zum Zentrieren einspannt.

Für "NormalradlerInnen" reicht es völlig aus, wenn das Fahrrad auf den Kopf gestellt und am eingebauten Laufrad zentriert wird. Bevor Sie mit dem Zentrieren beginnen, sollten Sie prüfen, ob die Nabe spielfrei gelagert ist. Sonst müssen Sie zuerst das Lagerspiel neu einstellen. Ein guter Anhaltspunkt zum Zentrieren ist eine Felgenbremse, deren Bremsklötze aber vorher in genaue Mittelstellung gebracht werden sollten. Sie läßt sich während des Zentrierens enger stellen, sodass der Anhaltspunkt stets sehr genau ist. Fehlt eine Felgenbremse, kann man auch eine kleine Zentrierhilfe am Rahmen befestigen, die dann ebenso als Anhaltspunkt dient.

 

4. Wie man zentriert

Zentrieren heißt, die Länge bzw. Spannung der Speichen so zu verändern, dass das Rad möglichst gut rund läuft. Dies wird durch Verdrehen der Speichennippel erreicht. Dadurch wird nämlich der Nippel auf der Speiche verschoben und so deren Länge verändert.

Wenn man wenig Übung im Zentrieren besitzt, ist es am günstigsten, von außen (Reifenseite) auf die Felge zu schauen und die dann unsichtbaren Speichennippel zu drehen. Speichen haben nämlich ein Rechtsgewinde, wie man es von fast allen Schrauben gewöhnt ist. Dreht man dann im Uhrzeigersinn (rechts herum), so dreht man den Nippel weiter auf die Speiche, das heißt sie wird kürzer, erhält eine höhere Spannung. Umgekehrt verringert man durch `Linksdrehen' die Spannung der Speichen. Die Drehrichtung kehrt sich um, wenn man von innen (Nabenseite) auf die Felge schaut, wie dies normalerweise der Fall ist, wenn man mit dem Speichenspanner arbeitet. Wichtig: Ein wenig Überlegung und ein wenig Übung erspart Ihnen unnötige Arbeit durch versehentliches Falschherumdrehen.

Wichtig ist auch, dass Sie, während Sie den Nippel drehen, die Wirkung Ihrer Zentriertätigkeit direkt am Anhaltspunkt kontrollieren. Dazu ist es nötig, dass Sie in unmittelbarer Nähe zum Anhaltspunkt (z.B. Felgenbremse) arbeiten. Eine andere vielfach beschriebene Möglichkeit ist es, Seiten und auch Höhenschläge z.B. mit Kreide zu markieren. Die Marken entstehen, indem man das Rad dreht und die Kreide fest am Rahmen abgestützt zum Rad führt. Die Stellen die zu weit nach außen stehen, stoßen an die Kreide an. Dadurch erspart man sich das manchmal etwas beengte Arbeiten nahe der Felgenbremse und erhält einen Gesamtüberblick, der besonders beim Höhenschlag hilfreich ist. Dennoch sollte die Feinarbeit der Korrektur des Seitenschlags besser wie oben beschrieben im Kontrollbereich des Anhaltspunkts stattfinden.


4.1 Höhenschlag

Zunächst sollte der Höhenschlag beseitigt werden und danach der Seitenschlag, da der Seitenschlag mehr eine Sache der "Feinarbeit" ist. Deshalb stellt man zunächst fest, wo Höhenschläge sitzen. Dazu das Laufrad langsam drehen und die Bewegung der Felge beobachten (beim eingebauten Laufrad gegen Rahmen oder Felgenbremse visieren).

Höhenschlag
Graue Fläche = idealer Kreis. Die Felge (schwarz) weicht nach außen und innen ab.
    Wie geht man vor?
  • festgestellten Bereich durch Abzählen an den Speichen oder Anzeichnen mit Kreide oder Filzstift markieren
  • Schlag wie folgt beseitigen:
  • Zuerst alle Speichen in dem Bereich lockern, in dem die Felge zu weit nach innen steht. Dadurch lockert sich das ganze Rad und man bekommt genug Spielraum, um dort, wo der Schlag nach außen geht, also von der Nabe weg, alle Speichen (die linken und die rechten) zu spannen. Der Vorgang muß in der Regel mehrfach wiederholt werden, bis keine Höhenschläge mehr feststellbar sind und auch die Speichenspannung (siehe unten) richtig ist.
    Zwischendurch ist es auch nochmals angebracht - wie bereits nach dem Einspeichen -, die Speichen "durchzuwalken", indem man nebeneinander stehende Speichen kräftig zusammenzieht, damit die Speichen sich "setzen" können.

4.2 Mittigkeit

In der Regel passiert es beim Hinterrad, dass die Felge nicht mehr mittig, sondern seitlich versetzt ist. Bei Mehrgangrädern mit Kettenschaltung stehen nämlich die Speichen auf der Zahnkranzseite steiler, sodass sie stärker gespannt sein müssen und deshalb auch leichter reißen. Diesen seitlichen Versatz kann man durch einfaches Umdrehen des Rades im Zentrierständer oder in der Gabel überprüfen: Ist die Felge nach dem Umdrehen nicht mehr an der gleichen Stelle, so ist die Felge seitlich versetzt und würde evt. am Rahmen schleifen. Dann müssen alle Speichen auf der einen Seite loser, die auf der anderen Seite um denselben Betrag fester gedreht werden. Achtung: beginnen Sie solche Arbeiten immer am Ventilloch, damit Sie wissen, wann Sie einmal ganz herum sind. Fehlt Ihnen ein Zentrierständer, so können sie dies auch wieder an der Felgenbremse probieren oder aber sie können sich auch folgendermaßen behelfen: Stellen sie das Rad senkrecht vor sich hin und visieren sie vom oberen Felgenrand genau zum unteren Felgenrand. Nun können Sie mit einem Meterstab auf der Nabe den Abstand der visierten Linie zum Einbauende messen. Dieser Abstand muß auf beiden Seiten gleich groß sein. Sie sind gut beraten, die Mittigkeit der Felge zu prüfen, ehe Sie sich an die Feinarbeit beim Seitenschlagzentrieren begeben.


4.3 Seitenschlag

Ist der Höhenschlag behoben, kann man feststellen, wo Seitenschläge sitzen.

Seitenschlag
Die Felge weicht, von oben betrachtet, nach rechts oder links von der Mittellinie ab.

Mit Kreide oder Filzstift lassen sich Seitenschläge zwar auch markieren. Besser geht es aber, wenn Sie den Erfolg des Zentrierens direkt verfolgen, während Sie die Nippel drehen, indem Sie in unmittelbarer Nähe der Felgenbremse arbeiten. Dann ersparen Sie sich auch das Markieren. Zentrierte Bremse dazu so eng wie möglich stellen (Stellschraube). Beseitigung des Schlages wie folgt : Um z.B. einen Seitenschlag nach rechts zu beseitigen, muß die Felge "nach links gezogen" werden. Dies erreicht man durch Spannen der Speichen auf der linken Seite und Lockern der Speichen auf der rechten Seite. Hierbei dreht man den Nippelspanner an jeder Speiche erstmal nur eine halbe Umdrehung (180 Grad) und zwar abwechselnd die Speichen auf der einen Seite fest und auf der anderen Seite um den gleichen Betrag lose (bei Bedarf Vorgang wiederholen!).

Bewegung der Felge
beim Spannen bzw. Entspannen der Speichen
zur Behebung von Seiten- und Höhenschlag.

Wichtig ist beim Seitenschlag, dass die Speichen immer abwechselnd auf beiden Seiten bearbeitet werden; tut man das nicht, produziert man nämlich wieder einen Höhenschlag.


4.4 Speichenspannung

Die Speichenspannung entscheidet maßgebend über die Haltbarkeit der Speichen. Speichen brechen infolge von Materialermüdung an der Krümmung beim Kopf. Diese Materialermüdung wird durch hohe Lastwechsel, wie sie bei einer schwach gespannten Speiche auftreten, verursacht. Eine gut gespannte Speiche behält dagegen auch unter Last einen großen Teil ihrer Vorspannung, der Lastwechsel ist also geringer.

Kontrolle der Speichenspannung: Probieren Sie je zwei sich kreuzende Speichen zusammenzudrücken. Dabei sollte sich mit viel Kraft der Kreuzungspunkt ca 1 cm verschieben. Profis benutzen dafür ein Speichenspannungsmeßgerät, das ebenfalls die Kraft ermittelt, die nötig ist um Speichen auseinanderzuziehen und diese genau anzeigt. Außerdem sollten die Speichen, wenn man sie anschlägt, eher hell als dumpf klingen. Ein zu lockeres Rad kann man stärker spannen, indem man beginnend am Ventil alle Speichen z.B. ¼ Umdrehung spannt und - wenn es zum Schluss schwerer geht - gleich wieder eine Idee lockert, um der Speiche die Torsionsspannung zu nehmen. So oft wiederholen, bis die Speichenspannung richtig ist. Anschließend Höhen- und Seitenschlag kontrollieren.

Besonders stark belastete Räder (z.B. das Hinterrad eines Tandems) müssen auch besonders straff eingespeicht werden (Augen schützen, falls eine Speiche plötzlich reißt!). Dies setzt natürlich ausreichend seitensteife Felgen mit stabilen Nippellöchern voraus (z.B. gute Hohlkastenfelgen), die der Speichenspannung nicht nachgeben. Eine zu schwache Felge würde sich bei zu hoher Speichenspannung in sich verwinden und die Form eines Kartoffelchips annehmen.... Sie sollten dann sofort etwas mit der Speichenspannung zurückgehen. Die Felge müßte dann hoffentlich wieder die normale Form annehmen.


4.5 Faustregeln

Höhenschlag
Schlag nach innen: Beide Seiten (links und rechts) lockern.
Schlag nach außen: Beide Seiten spannen.
Wichtig ist die Reihenfolge: zuerst Schlag nach innen lockern und erst dann Schlag nach außen spannen.

Seitenschlag
Schlag nach rechts: die rechten Speichen lockern, die linken entsprechend spannen,

Schlag nach links links lockern, rechts spannen.
Lockern: von innen (Nabenseite) betrachtet im Uhrzeigersinn (rechtsherum) drehen
Spannen: von innen betrachtet im Gegen-Uhrzeigersinn (linksherum) drehen.

Als Hobbyzentrierer ist man zufrieden, wenn man Schläge auf weniger als plus/minus 1 mm reduziert hat. Man sollte nicht versuchen, verbogene Felgen mit Gewalt zu zentrieren, da die starken Unterschiede in der Speichenspannung obendrein zu unruhigem Laufverhalten führen.

 

5. Weiterführende Literatur

  • Rob van der Plas: "Die Fahrrad-Werkstatt", Bielefelder Verlagsanstalt 2004, 19,95 Euro, einfache übersichtliche Anleitung
  • Hans Joachim Zierke: "Das Laufrad, ein technisches Wunderwerk" in der Zeitschrift 'Radfahren' 1988 (3 Folgen, 10 Seiten): Besonders der theoretische Hintergrund.
  • "Laufräder, leicht und bärenstark" in 'Radfahren extra 3/93': Kriterien, die ein gutes selbstgebautes Rad auszeichnen.
  • Hans Christian Smolik u. a.: "Speichen Nippel Spannungsspitzen" in "Velo-Werkstatt IV" ein Sonderheft der Zeitschrift 'tour' 02.92. Besonders für Praktiker und Rennprofis.

Quelle: http://www.fa-technik.adfc.de/Werkstatt/Zentrieren/