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Einmal um Berlin, aber mit Abstand

Tour Brandenburg 2009

tbb Zum Abgewöhnen dieses rasante Modell fanden wir an der B273 nach Nauen (fotos © ul 2009-07)

Vorgeschichte

Keinen, dem wir von unseren Plänen für den Sommerurlaub erzählt haben, konnten wir damit vom Hocker reißen. Einmal rund um Brandenburg. Hm, na schön. Macht mal. "Nein, um das ganze Land Brandenburg, nicht nur um die Stadt." Ach so, gibt es auch eine Stadt Brandenburg?! "Gut 1100 km sind das plus Rückfahrt nach Osnabrück." Das hat dann ein wenig beeindruckt. Aber die meisten kannten das ja schon von uns, dass wir im Sommer regelmäßig die 1000-Kilometer-Marke knacken.

Ach so, ehe ich's vergesse: weitergehende Informationen zu vielen Orten und allerlei Wissenswertem rund um die Tour sind rechts oben zu finden unter 'Infos'.

Auf der Tour befahrene Bundesländer

1 = Niedersachsen
2 = Sachsen-Anhalt
3 = Brandenburg
     (in der Mitte Berlin)

violett = Bahnstrecke
rot      = Fahrradstrecke

Nun, wir waren jedenfalls gespannt, was uns dort erwarten würde. Unten läßt es sich nachlesen. Vorher aber schauen wir uns erst einmal ein paar Fakten zu diesem Bundesland an.

Brandenburg

Auf der Karte oben kann man schon erkennen: Brandenburg ist gut halb so groß wie 'unser' Niedersachsen, aber es lebt nur etwa ein Viertel der Menschen dort. Etwas Bruchrechnen gefällig? Na gut, es ist mit 86 Einwohnern auf den qkm nur halb so dicht besiedelt wie Niedersachsen mit 168 E/qkm. In Gesprächen erfuhren wir, dass in einigen Gebieten die Bevölkerungsdichte wieder auf dem Stand von 1812 angekommen ist. Dazwischen liegt das kleine Sachsen-Anhalt, das wir auf dem Rückweg durchfahren haben. Davon später.

Doch genug der Fakten, zurück auf Anfang

Wo startet man eine Runde?
Wir haben uns für Rathenow entschieden, weil es mit dem IC zu erreichen ist, direkt am Radfernweg liegt, und weil man auf kleineren Bahnhöfen mit Fahrrad und Gepäck wesentlich einfacher aus dem Zug heraus oder in den Zug hinein kommt. Gegen 15 Uhr kommen wir dort an. Ein Hinweis auf den Radweg fehlt mal wieder - wie so oft an Bahnhöfen - aber wir finden ganz schnell einen freundlichen Mitmenschen, der uns den Weg weist. Das Wetter ist gut und die Sonne lacht. Was soll uns noch aufhalten. Endlich wieder auf Piste!
Von Rathenow aus führt der Radweg erst einmal lange Zeit an Straßen entlang. Aber später wird es doch noch richtig schön. Wir fahren viel auf aalglatten Wegen längs der Havel, ab und zu auch quer darüber. Die Stadt Brandenburg ist unser erstes Ziel, die übrigens nicht die Hauptstadt des Landes ist.
Auf dem Weg nach Brandenburg liegt ein Ort, dem man unbedingt etwas Zeit widmen sollte, wenn man ein wenig an Technik oder Architektur interessiert ist: Kirchmöser.

Am Abend gab es dann eine anfangs sehr unangenehme Panne mit dem Dachgeber (Was sind Dachgeber ?), mit dem wir die Übernachtung vereinbart hatten. Zum Glück hat uns eine andere Familie ganz spontan und sehr herzlich aufgenommen. Der 11-jährige Sohn hat uns sogar sein Kinderzimmer geräumt. Wir hätten Glück gehabt. Er müsse am nächsten Tag später zur Schule, darum sei er noch nicht im Bett gewesen.

Das ist uns übrigens immer wieder aufgefallen: im Dunstkreis der Stadt Berlin trafen wir häufig auf Menschen, die gern und offen auf uns zu gegangen sind, die neugierig waren auf die Gäste, die da in ihre Heimat eingefallen sind, und bereitwillig ihre Hilfe angeboten haben, wenn wir einmal nicht weiter wussten.

Von der Havel führt die Tour bald hinter Brandenburg auf den Hohen Fläming. Hier ist Belzig unser Ziel. In der Waldsiedlung haben uns die Grobheisers in ihrer Pension mit dem fantasievoll angelegten Garten freundlichst aufgenommen. Leider gibt es diese freundliche Pension nicht mehr. Belzig wird beherrscht von der Feste Eisenhardt. Eisenhart muss man in früheren Zeiten von dort das Land beherrscht haben, so trutzig wie die Burg auch heute noch aussieht.

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Freud und Leid

Auch am dritten Tag meint es die Sonne wieder gut mit uns. Es geht weiter durch den Hohen Fläming. Entsprechend sind immer wieder kleinere Anstiege zu bewältigen. Belohnt werden wir in Klein Marzehns mit einer großen Schale frisch gepflückter, reifer Süßkirschen. Solche Gesten versöhnen mit so manchen Ärgernissen, die einem bisweilen das Radreisen verleiden können. So am selben Abend, als wir unser Zimmer in einem Gasthaus in Gölsdorf betreten. Es war grauenhaft, wie das ganze Ambiente drum herum. Also das große Hinweisschild am Fläming Skate® unbedingt übersehen!

In der ganzen Ecke um Treuenbrietzen und Jüterbog herum gibt es weitere Probleme, weil der Radweg nur ungenügend ausgeschildert ist, weil einem kilometerlange Passagen an der Bundesstraße zugemutet werden oder die Stadt Treuenbrietzen vom Durchgangsverkehr geprägt ist. Dennoch - der Hohe Fläming gehört zu den Höhepunkten der Tour, und die Miseren von heute können morgen schon der Vergangenheit angehören..

Schwarze Elster

Dafür entschädigt der folgende Tag: Erst ein Stück auf dem superglatten Fläming Skate®, dann hinunter zur Schwarzen Elster, einem weiteren Nebenfluss der Elbe. Der Schwarzen Elster folgen wir flussaufwärts bis Herzberg, dessen Bewohner gerade die 825-Jahr-Feier am folgenden Wochenende vorbereiten. Die Stadt ist in weiten Teilen vorbildlich restauriert, aber es fehlt an Gewerbe und Industrie. Viele Ältere raten den Jungen: Geht bloß weg von hier, wenn ihr beruflich etwas erreichen wollt. Der einzige größere Industriebetrieb, ein Armaturenwerk, wurde von einem westdeutschen Unternehmen 1991 übernommen und 2005 wieder geschlossen. Man hat einfach die Produktions in eines der Billiglohnländer verlagert.

Weitere Stationen
  • Senftenberg mit dem besten Frühstück der Tour in der Pension ‘Max’
  • Cottbus, wo wir sehr gastfreundlich von einer Freundin der leider erkrankten Dachgeberin aufgenommen worden sind
  • Trebnitz, Buckow und Bad Freienwalde in der Märkischen Schweiz, die uns einiges an Schweiß abverlangte.
Durch das Barnimer Land

Wir sind danach ziemlich dicht an Berlin vorbei gekommen, da wir im schönen Nordteil der eigentlichen Route (Rheinsberg etc.) keine Übernachtungsmöglichkeit gefunden haben. So sind wir mit der Bahn von Bad Freienwalde aus über Eberswalde nach Biesenthal gefahren, von dort Richtung Oder-Havel-Kanal und über Wandlitz nach Oranienburg geradelt. Leider können wir dort nur kurz verweilen, müssen weiter westwärts, da wir - übrigens zum ersten und wohl auch letzten Mal - alles vorgebucht hatten, so dass wir teilweise zum Sklaven unserer selbst gesteckten Etappen geworden sind.

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Rückweg

Der Rückweg ist erst einmal geprägt durch die leeren Weiten der Altmark. Ruhepunkt für uns: Das kleine Städtchen Arendsee - wir legen 2 Tage Pause am gleichnamigen See ein. Am dritten Tag radeln wir weiter. Höhepunkt ist die schöne, alte Stadt Salzwedel, wirklich sehenswert! Von den zahllosen Dörfern ist nur Tylsen mit dem neuen und dem verfallenen alten Schloss in Erinnerung gebleiben.
Hinter Bad Bodenteich geht es ab in die Wälder. Richtung Südheide folgen wir ein Stück dem alten Radfernweg Hannover-Lüneburg über Hösseringen nach Hermannsburg. Er ist zu einer schmalen Fahrspur im Gras verkommen:

Von Hermannsburg leitet uns die Örtze auf einem an sich wunderschönen Weg nach Oldau. Leider ist dies ein Regentag, so dass wir diese Strecke nicht so genießen können, wie sie es verdient hätte.
In Oldau starten wir in aller Frühe, um über den Aller-Radweg in meine alte Heimatstadt Celle zu gelangen. Nach einer ausgiebigen Frühstückspause auf der Stechbahn stehen die letzten Kilometer nach Lehrte an. Da für den nächsten Tag Regen und starker Westwind angesagt sind, haben wir es vorgezogen, mit dem Regional-Express nach Osnabrück zurück zu fahren. Der Regen kommt dann auch, und zwar so heftig, dass hier gleich der Keller überschwemmt ist. Da waren wir dann also wieder richtig zuhause angekommen.

Resümee

Angeregt zu dieser Tour hat uns ein Bericht in der Radwelt 2/2009 des ADFC. Die Tour Brandenburg - zum Zeitpunkt unserer Radreise gerade mal zwei Jahree alt - wirkt auf den ersten Blick unspektakulär, hat sich aber als sehr abwechslungsreich erwiesen. Sie bietet die hervorragende Möglichkeit, ein ganzes Bundesland kennen zu lernen. Sie führt fast immer auf glatten Wegen, viel durch Wald und Landschaft, aber immer wieder auch durch sehenswerte Städte und Dörfer. Wenn man allerdings von der Route abweicht und ein wenig abseits fährt, sind Wege und Straßen für Radfahrer oft noch katastrophal, wobei die Angaben über den Wegezustand in den Karten absolut unzuverlässig sind.

    Erwin Strittmatter * 

    »Denk nicht, das Leben käme ohne dich aus. Es ist nicht gewohnt, mit Lücken zu arbeiten. Aber ob du etwas mehr bist als ein Lückenfüller, liegt an dir. Da ist deine Freiheit.«

    * 1912 bis 1994, Schriftsteller und eine Zeit lang Redakteur der Märkischen Volksstimme in Senftenberg.
       Weitere Informationen bei Wikipedia

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